Prof. Dr. Peter Gentsch
(Chat)Bots, Messaging-Systeme und Smart Speaker werden heiß diskutiert und gelten als Mega-Trends der nächsten Jahre. Kommunikation und Interaktion werden zunehmend über Algorithmen gesteuert und bestimmt. Das Postulat „Märkte sind Gespräche“ wird vor dem Hintergrund des Conversational Business neu interpretiert. Vordergründig geht es um neue Kommunikationsschnittstellen, die als logische nächste Evolutionsstufe Effizienz- und Convenience-Vorteile mit sich bringen. Es geht aber bei Weitem um mehr als um „Alexa, bestelle mir bitte eine Pizza“ oder „Lieber Service-Bot, wie kann ich meinen Flug umbuchen?“
Es geht insbesondere darum, wie wir in Zukunft kommunizieren und interagieren werden:
> Die App-Ökonomie hat ausgedient – wir werden „nativ“ in unseren jeweiligen digitalen Räumen ohne Medienbruch interagieren – Beispiel WeChat als Super-App
> Wir werden zunehmend diese Systeme über mobile Devices für Commerce und Business nutzen
> Ein Großteil der Kommunikation wird automatisiert werden – Post-humanes Business
> „Voice“ wird als natürliches Interface zunehmend an Bedeutung gewinnen
> Diese Systeme werden zunehmend proaktiv Kommunikation und Interaktion anstoßen und steuern
> Conversational AI wird zum Brain des Internet of Everything
Messanger wie WhatsApp, WeChat & Co sind damit viel mehr ein weiterer Touchpoint oder Kommunikations-Kanal. Durch sie entstehen in der dritten Weller der Internet-Revolution neue digitale Ökosysteme, die den direkten, always-on Connect zum Kunden im Rahmen ganzheitlich digitaler Customer Journeys ermöglichen.
WeChat zeigt eindrucksvoll, wie ganzheitliche Convenience-Customer Journeys entstehen und massenhaft genutzt werden. Während Apps isolierte Applikationen für bestimmte Use Cases sind, bietet WeChat ganzheitliche Transaktionen von der Awareness-Phase über den Kauf bis zum After-Sales. Zudem werden nicht nur bestehende Prozesse Medienbruchfrei automatisiert, sondern bestehende Geschäftsmodelle werden erweitert bzw. es entstehen ganz neue Geschäftsmodelle. Zu häufig wird der Messanger nur operativ als neuer Marketing Hack gesehen, das strategische Potential bleibt unbeachtet.
Hinter dem Messanger-Interface werden zudem immer mehr smarte Kunden-Devices verbunden. Diese sind diese nicht nur digital vernetzt, sondern auch smart in dem Sinne, dass sie proaktiv und prädiktive Aktionen und Prozesse auslösen. Der Zugang zu diesem Connected Customer ist strategisch extrem relevant – Messanger können gut dieser Gate-Keeper-Funktion übernehmen. Der Zugang ermöglicht die intelligente Pull-Kommunikation mit den Kunden. Im Zeitalter, in dem klassischen Push-Marketing immer mehr an Bedeutung verliert, ist dieser interaktiver Zugang strategisch extrem relevant.
Es bedarf keiner großen Phantasie, dass analoge Ökosystem in Europa oder Deutschland entstehen werden bzw. am Entstehen sind. Ähnliche Plattform-Effekte gibt es natürlich heute schon. So bauen Amazon, Google & Co schon länger Wall Gardens auf, die den Kunden der Convenience-Bubble binden sollen. Und auch die Voice-Systeme wie Amazon Alexa oder Google Home wollen die zentrale Gate-Keeper-Funktion übernehmen. Betrachtet man die immense Reichweite sowie Nutzungs- und Adaptionsrate scheinen Messanger das Leistungsversprechen eines Always-On-Begleiters am besten und schnellsten erfüllen zu können. Messanging ist gelerntes Verhalten über alle Altersklassen und Schichten hinweg, das mobile Device ständiger Begleiter der mit einer Bezahlfunktion noch einmal an Potenz gewinnt.
Das Ende der App-Economy
Aber warum boomt das Messaging im Vergleich zu anderen Apps?
Wir beobachten zunehmend eine App-Müdigkeit bei den Nutzern. Tatsächlich wird von jedem Nutzer nur eine sehr begrenzte Anzahl an Apps täglich benutzt. Das kann an dem App-Dschungel liegen, mit dem die Verbraucher konfrontiert werden. Der häufig gehörte Satz „Da gibt’s ne App für“ scheint nicht nur wahr, sondern untertrieben zu sein. Für jeden denkbaren Anwendungsbereich wird der Verbraucher mit mindestens einem Dutzend Apps konfrontiert. Das erschwert es, die passende App zu finden. Oft ist auch der erweiterte Nutzen einer App – zusätzlich zur Webseite eines Unternehmens – unklar.
Jede neu installierte App bedeutet außerdem, dass man sich an eine neue Benutzeroberfläche gewöhnen muss. Die Messaging Apps dagegen sind sich im Aufbau und Layout alle ähnlich, und ihre Bedienung ist einfach, selbst für neue Anwender.