Ziel der sogenannten GAFA-Ökonomie (Google, Amazon, Facebook, Apple) ist es, das Ökosystem der Konsumenten bestmöglich zu kennen und dementsprechend auch bedienen zu können. Wer diese Aufgabe am besten bewältigt, kann seine eigenen Produkte auch am besten beim Verbraucher platzieren. Nicht umsonst entwickelt die GAFA-Welt Systeme, um den Zugang zum Konsumenten zu monopolisieren. Diese neue Form der Marktausschöpfung bringt das Risiko des Missbrauchs von Marktmacht mit sich und kann hohe Strafen zur Folge haben, wie Google unlängst zu spüren bekam.
Wer das direkte Interface zum Kunden in Form eines Bots- oder Messaging-Systems hat, der Konsumentenpräferenzen und -verhalten über alles Lebensbereiche kennt, bestimmt Informationen, Werbung und Käufe. Wählt der Konsument bei einer Google-Suche oder einer Amazon-Produktsuche noch selber aus den Trefferlisten seine Favoriten aus, reduziert sich die Bot-Empfehlung in der Regel auf ein Produkt oder eine Information. Die Bot-Souveränität ersetzt damit die aktive Evaluierung durch den Konsumenten. Dass diese Vorgehensweise höchst relevant und lukrativ ist, zeigen beispielsweise die Bemühungen von Amazon, durch den Dash-Button und das DRS-System (Dash Replenishment Service) unter dem Convenience-Deckmantel die Kontrolle über den Kunden zu gewinnen. Hier zeigt sich, wie Amazon versucht, in das Ökosystem des Verbrauchers einzudringen. Die noch manuelle Automatisierung, per Knopfdruck ein neues Waschmittel zu bestellen, ist erst der Anfang. Im nächsten Schritt steht ein sprachgesteuerter Dash Button zur Verfügung. Das System kann aber noch mehr: Ein automatisch agierendes DRS-System ermöglicht verbundenen Geräten, Produkte von Amazon automatisch zu bestellen. D. h. das System verfolgt den Verbrauch des Produktes und kennt somit den Bestand von beispielsweise Waschmittel, Zahnpasta oder Druckerpatronen. Neigt sich das Produkt dem Ende zu, wird der Bestellprozess ausgelöst.
Eine der größten Stärken, aber auch der größte Kritikpunkt, des Alexa Ökosystems ist die integrierte und automatische AI-basierte Analyse der Kundeninteraktion. So lässt sich die digitale Datenspur des Kunden nutzen, damit seine Alexa ihn auch richtig kennen lernt. Die wird in der Cloud nicht nur die Einstellungen der DASH-Buttons gespeichert, sondern er werden auch über das Kaufverhalten und Suchanfragen Präferenzen und Bedürfnisse des Kunden abgeleitet und gespeichert. Mit Hilfe von AI lassen sich aus diesen Informationen qualitativ hochwertige Prognosen für die weitere Kundenkommunikation erstellt damit dieses Wissen in Cross-Selling-Strategien einfließen kann.
Abb. 3 AI, Big Data und Bot basierte Plattform von Amazon
Ebenfalls können durch Ortungsdienste standortsbezogene Daten und Dienste gesammelt und angeboten werden. Die mögliche Anzahl der aufzuzeichnenden Datenpunkte, die mit dem Kundenverhalten korreliert werden können, erscheint durch die vielfältigen Nutzungen und breit gestreuten Themenanlässe im Amazon-Ökosystem schier unendlich.
Doch nicht nur die text- bzw. datenbasierte Analyse des Kundenverhaltens ist relevant. Bedingt durch die massiven Fortschritte im Natural Language Processing (NLP), also der digitalen Sprachverarbeitung, kann sowohl die Sachebene der Kundenaussage analysiert als auch die aktuelle Stimmung des Kunden ermittelt werden. Das ermöglicht eine Emotionalisierung der Bot-Kunden-Beziehung durch trainiertes empathisches Verhalten des Bots, die der zwischenmenschlichen Kommunikation nahe kommt.
Für Unternehmen ergeben sich mit der tiefen Verzahnung in die Alltagswelt des Kunden einzigartige Möglichkeiten der Datengewinnung und -analyse. Durch die Zentralisierung und Monopolisierung der Kundenschnittstelle können Unternehmen den Konsumenten auf Basis umfassender Präferenzen- und Verhaltensprofile in seiner „Commerce Bubble“ binden.
Eine Konsequenz dieser Entwicklung könnte sein, dass die emotionale Markenbindung an Relevanz verliert und es zu einer Versachlichung des Marketings kommt. Denn Kaufentscheidungsprozesse werden nun rationaler als bislang getroffen. Durch die Entwicklung von Smart Homes bzw. Smart Products kommt es zu rational vorbereiteten Kaufentscheidungen – Bots repräsentieren nun immer mehr den Menschen. Der Kühlschrank „entscheidet“, wann eine Milch nachgekauft wird. Ein digitaler Vertreter des Kunden ist logischerweise immun gegen emotionale und empathische Werbung, die dadurch ihren Sinn verliert. Der ideelle Wert der Marke ist für den Kunden-Bot irrelevant, der im optimalen Fall durch die digitale Signatur des Kunden objektiv als dessen Stellvertreter im E-Commerce agiert. So wird der Zugang der Unternehmen und Kunden zur Plattform wichtiger als die Marke selbst. Ob der Bot auch immun gegen die Interessen des Anbieters (seines Herrn und Gebieters) ist, darf und sollte von den Kunden natürlich kritisch hinterfragt werden.
Datenbasiertes Marketing (Intent-based Marketing) nimmt fortlaufend zu. Schon jetzt sammeln Marketingabteilungen massenhaft verhaltensbasierte Daten. Wenn Alexa, Siri und Google Assistant Einzug in die Wohnzimmer erhalten, ist der Vergleich mit einem trojanischen Pferd nicht abwegig. Wenn Anbieter z. B. „hautnah“ mitbekommen, dass geheiratet wurde, ist womöglich auch bald Nachwuchs geplant. Diese Informationen können Gold wert sein. Es bleibt abzuwarten, wie die Vorzüge durch mehr Convenience in Einklang mit der Gefahr des Marktmissbrauchs monopolartiger Commerce-Ökosysteme gebracht werden können. Dass der Verbraucher gegenüber neuen Convenience-Technologien aufgeschlossen ist, zeigt der Trend zu Voice-basierten Interaktionen. In diesem Jahr erfolgte jede fünfte Anfrage bei Google über die Stimme. Für das Jahr 2022 wird eine 70-prozentige Quote prognostiziert. In zehn Jahren erfolgen vermutlich über 80% % der Google-Anfragen über Voice.
Während die derzeitige Kommunikation noch zwischen Konsument und Unternehmens-Bot abläuft, wird es in den kommenden Jahren eine verstärkte Kommunikation des Konsumenten-Bot mit dem Unternehmens-Bot geben. Daher müssen Marketingaktivitäten auf die Bot-Kanäle adaptiert werden. Auch bei SEO bzw. SEM wird ein Umdenken stattfinden müssen. Die sogenannte „Bot Engine Optimization“, kurz BEO, verwandelt den Leitsatz „Rule the first page on google“ zu „Rule the first bot answer“. Der Fokus liegt auf personalisierten One-to-One-Kampagnen von Bot zu Kunde. Natürlich haben Unternehmen schon immer im Rahmen des Database Marketing und analytischen CRM Daten über Konsumenten analysiert, um Produkte und Kommunikation auf Zielgruppen auszurichten, um so möglichst profitabel zu sein. Nur treffen sich Unternehmen und Konsumenten zunehmend nicht mehr auf klassischen Märkten, sondern der Anbieter internalisiert in gewisser Weise den Markt. Amazon ist schon lang kein Händler von Produkten mehr, sondern ein smartes Ökosystem, das intelligent Daten erfasst, analysiert und nutzt, um so den Konsumenten in der eigenen Commerce Bubble zu halten.
Einsatzgebiete im E-Commerce
Chatbots können an verschiedenen Stellen im E-Commerce eingesetzt werden, etwa um Anliegen vorab zu qualifizieren, Leads mit Informationen zu versorgen (Nurturing) oder im Service automatisiert Auskunft zu geben. Chatbots werden derzeit primär als Inbound-Touchpoint eingesetzt, um Fragen von Konsumenten zu Produkt, Unternehmen und Kampagnen zu beantworten. Zunehmend entstehen auch Outbound-Szenarien, bei dem Chatbots nach definierten Regeln und Events aktiv mit dem Kunden kommunizieren (Drip Communication durch Nurture Bots). Einen Schritt weiter gehen Engagement-Bots, die aktiv als Markt- und Markenbotschafter mit den Usern interagieren. Bekanntestes Beispiel ist hier der Chatbot Tay von Microsoft. Dieser wurde von der Community leider entsprechend negativ trainiert, sodass er rechtsradikale und sexistische Beiträge postete. Innerhalb eines Tages hat Microsoft Tay entschuldigend aus dem Netz genommen.
Um möglichst automatisiert Customer Insights über Befragung zu erhalten, können auch sogenannte Poll Bots zum Einsatz kommen.